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Gesundheit und AlterInklusionLiebe

„Liebe macht den Bauch fröhlich“

Von 10. Dezember 2013 Keine Kommentare
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„Liebe macht den Bauch fröhlich“

Von 10. Dezember 2013 Keine Kommentare

Eva Schrammel im Interview mit Miriam Paickner, Mitgründerin und Vorstandsmitglied von „Zeit zu Zweit, einem Verein, der Beratungen, Seminare, Workshops und Vorträge zu den Themen Partnerschaft, Liebe und Sexualität anbietet. Zielgruppen sind Menschen mit Beeinträchtigungen, deren Angehörige sowie UnterstützerInnen,TherapeutInnen und AssistentInnen.

Lebenshilfe: Frau Paickner, was macht „Zeit zu Zweit“:

Miriam Paickner: Uns gibt es schon seit 2007, ich bin seit 2008 dabei. Unser Büro ist in Hall in Tirol, momentan gibt es keine fixen Büroöffnungszeiten, daher machen wir die Beratung nach Terminabsprache. Wir sprechen alle Menschen mit Beeinträchtigungen an.

L: Nehmen auch Menschen mit Lernschwierigkeiten das Angebot in Anspruch?

M.P.: Dadurch, dass wir nicht subventioniert sind, nehmen es wenige Leute in Anspruch. Die Beratung kostet Geld, und das ist für viele ganz schwierig.

L: Welche Themen stehen bei der Beratung im Vordergrund?

M.P.: Partnerwunsch ist ein ganz großes Thema, bei manchen Elternschaft, Aufklärung, Fragen zu Sexualität. Fragen wie: Ich hätte so gerne einen Freund, wo finde ich jemanden. Ich hätte so gerne wen, mit dem ich einschlafen und aufwachen kann. Was manchmal ein Thema sein kann, ist Missbrauch und Übergriffe. Hier geht es um Prävention und Aufklärung. Viele Menschen mit Lernschwierigkeiten sind nicht aufgeklärt, damit sind Tür und Tor für Übergriffe geöffnet. Wie wichtig es ist, Stop und Halt zu sagen, auch in Partnerschaften.

L: Wie läuft eine Beratung bei euch ab?

M.P.: Menschen wenden sich mit bestimmten Fragen, Interessen oder Wünschen an uns. Zunächst wird geklärt was genau das Anliegen ist. Danach versuchen wir die Fragen genau zu beantworten und Ratschläge und Hilfestellungen zu geben. Manchmal reicht dafür ein Termin, manchmal sind mehrere notwendig.

Uns ist der Peer-Ansatz ganz wichtig, wir arbeiten mit einer Frau mit Lernschwierigkeiten. Die Leute kommen manchmal einmalig mit einer konkreten Frage, manchmal tun sich mit einer Frage zehn andere auf. Manchmal wär viel mehr notwendig, aber nicht machbar, weil es von Eltern verhindert oder von Institutionen nicht unterstützt wird. Die jüngste Leute sind um die 17, Menschen mit Lernschwierigkeiten meist älter, weil sich die Aufklärung zeitlich verzögert.

L: Sie machen auch Aufklärungsarbeit? Wie funktioniert das?

M.P.: Wenn die Frage kommt „Wie geht bumsen?“, dann kläre ich ab, ob alle darüber reden wollen oder ob das nur einige interessiert, weil dann bespreche ich das in einem eigenen Setting. Ich verwende anatomische Puppen als didaktisches Mittel, Bildmaterial, Filme.

L: Was würden Sie sich für ihre Arbeit wünschen?

M.P.: Was ohnmächtig macht ist, die Leute gehen aus dem Seminaren raus und fragen: Wann gibt es den nächsten Kurs? Aber wir können ihnen nichts anbieten. Für Beratung über Sexualität ist kein Geld da. Dabei geht es um Prävention, um Schutz. Was es braucht, ist ein konkretes Angebot zu diesem Thema über einen längeren Zeitraum hinweg, weil viel Vertrauen notwendig ist. Für viele ist das die einzige Möglichkeit, offen über dieses Thema zu reden. Darum ist es wichtig, dass heute (Anmerkung: beim Kongress ich.du.wir.) die Assistenten und Untersützter nicht dabei waren.

L: Gibt es einen Punkt, der Ihnen besonders wichtig ist?

M.P.: Man muss sich vor Augen halten, es geht um ein Grundrecht – es darf nicht so sein, dass es tabuisiert wird. Das Thema Sexualität ist ein sehr intimes, persönliches Thema. Daher ist es wichtig, dass Aufklärung von externen Expertinnen gemacht wird. Das Abhängigkeitsverhältnis, die Machtebene sowie die nahezu familiären Beziehungen zwischen den Menschen mit Beeinträchtigung und deren UnterstützerInnen sind ungünstig. Auch in „normalen“ Familien kommt es so gut wie nicht vor, dass die Aufklärung von den Eltern gemacht wird, da sie ein wichtiger Bestandteil des Ablösungsprozesses und des Erwachsenwerdens ist. Ein Beispiel aus der Behindertenarbeit zur Erklärung: es ist widersprüchlich, wenn ein und die selbe Person Aufklärung macht, u.a. erklärt wie wichtig es ist Intimsphäre zu bewahren, einzufordern und zuzugestehen, Grenzen wahrzunehmen, einzuhalten und Sexualität bespricht und diese Person auch für Intimpflege zuständig ist -welche notwendigerweise eine Grenzüberschreitung und nicht Einhaltung der Intimsphäre mit sich bringt.

L: Wie haben Sie den Kongress „ich.du.wir.“ erlebt?

M.P.: Ich habe bei dem Kongress den Workshop „Freundschaft und Liebe“ moderiert. Die Frauen und Männer mit Behinderung, die an dem Workshop teilgenommen haben, haben ein großes Interesse an dem Thema mitgebracht und mit ihren Ideen, Fragen und Anregungen einen wichtigen Beitrag geleistet, das Thema gut zu bearbeiten und auch nach außen zu transportieren. Es hat mich begeistert wie viel an Interesse und Kompetenz da ist. Es ist toll zu erkennen, dass der Wissensdrang und das Interesse zum Thema Liebe, Freundschaft Sexualität nach wie vor sehr groß ist und die Auseinandersetzung mit diesen Themen Lust macht auf eine Fortsetzung. Ein Teilnehmer hat das super zusammengefasst: „Liebe macht den Bauch fröhlich.“

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