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Politik und Recht

Pflegegeldpläne des Sozialministeriums erschweren Leben von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung

Von 13. Oktober 2014 Keine Kommentare
Politik und Recht

Pflegegeldpläne des Sozialministeriums erschweren Leben von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung

Von 13. Oktober 2014 Keine Kommentare

Lebenshilfe-Präsident Weber fordert raschen Gesprächstermin
mit Behindertenverbänden!

Nur wenig Verständnis zeigt die Lebenshilfe für die
Argumentation von Sozialminister Hundstorfer im gestrigen
Sozialausschuss, in dem er erneut die gestiegenen Kosten für die
24-Stunden-Pflege als Grund für den erschwerten Zugang zum Pflegegeld
rechtfertigte. „Für tausende Menschen wird der Zugang zum Pflegegeld
sehr viel steiler. Die Absicherung der Pflege mit dem Mittel des
Ausschlusses entspricht nicht dem Prinzip der Inklusion“, kommentiert
Lebenshilfe-Präsident Weber die Pläne des Sozialministers. „Für viele
ist das Pflegegeld ein wesentliches Hilfsmittel für gesellschaftliche
Teilhabe und eine wichtige Risikoabgeltung.“

Besonders Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, die ja in
der Regel keine 24-Stunden-Pflege, aber sehr wohl eine Begleitung im
Alltagsleben durch Angehörige benötigen, werden jetzt massiv
benachteiligt. Ein großer Teil hat meist Pflegestufe 1 oder 2. Da war
es schon bisher ein Problem, die nötige Alltagsbetreuung geltend zu
machen und nicht nur die rein pflegerischen Tätigkeiten. Daher
besteht für sie eine große Schwierigkeit, die bei der geplanten
Novelle nötige Stundenanzahl zu erlangen. „Die neuen Zugangskriterien
zur Pflegestufe 1 und 2“, betont Lebenshilfe-Präsident Germain Weber,
„gehen massiv zu Lasten der Menschen mit Lernschwierigkeiten und
ihrer Angehörigen. Sie sind oft dringend auf einen Zuschuss für
Hilfeleistungen angewiesen und werden erneut vor erhebliche Hürden
gestellt.“

Die Pflege von Angehörigen mit Beeinträchtigungen ist neben
körperlichen und seelischen Belastungen oft mit finanziellen
Problemen verbunden. Friederike Pospischil, Präsidentin der
Lebenshilfe Niederösterreich und selbst Mutter eines behinderten
Sohnes: „In vielen Fällen reicht das Pflegegeld nicht aus, um einen
erhöhten, tatsächlichen Hilfebedarf abzudecken und so ein
selbständiges Leben zu ermöglichen. Dass gerade die frühzeitige
Begleitung durch Angehörige einen enormen Beitrag für ein möglichst
lange selbstbestimmtes Leben leiste, wird mit der Neuregelung völlig
vergessen.“

Die geplante Änderung im Pflegesystem sieht vor, dass Pflegegeld der
Stufe eins erst ab einem Pflegebedarf von 65 Stunden bezahlt wird,
bei der Pflegestufe zwei erst ab mehr als 95 Stunden. Bisher war hier
das Limit bei 85 Stunden. Diese Anhebung der Stundensätze bei den
Pflegestufen 1 und 2 ist schon ab 2015 angedacht, eine Valorisierung
erst ein Jahr später – und auch sie nur einmalig. „In diesem
Zusammenhang von einer sozial verträglichen und ausgewogenen Lösung
zu sprechen, ist für uns nicht nachvollziehbar“, meint Präsident
Weber. „Warum müssen schon wieder pflegebedürftige Menschen für das
Stopfen budgetärer Löcher herhalten?“

Neben der Verschärfung der Pflegebedürftigkeit sind für die
Lebenshilfe die politischen Begleitumstände besonders ärgerlich: „Es
ist kein Zeichen für die Teilhabe behinderter Menschen, wenn
überfallsartig und ohne jegliche Einbeziehung der
Behindertenorganisationen eine wesentliche Grundlage für die
Begleitung von Menschen einfach gekappt werden soll. Es ist eine
politische Unkultur, dass wir erst im Nachhinein Stellung nehmen
können und nicht von vorneherein in die Entstehung von Gesetzen die
Menschen direkt betreffen einbezogen werden“, empört sich
Lebenshilfe-Generalsekretär Brandstätter. „Die von der Novelle
angestrebten Wirkungen zeigen auch den eigentlichen Geist des
Gesetzes: Sachleistungen statt Geldleistungen und die Entlastung der
Landesbudgets. Statt der Menschen werden Budgets entlastet!“

Die Lebenshilfe Österreich fordert daher

  • die Beibehaltung der bisherigen Regelung;
  • eine ganzheitliche Begutachtung, bei der auch Nicht-MedizinerInnen
    zu Wort kommen;
  • eine automatische jährliche Anpassung des Pflegegeldes an die
    Inflationsrate und nicht nur eine einmalige Valorisierung 2016 und
  • die Beibehaltung der Geldleistung als Absicherung und als
    Hilfestellung für eine selbstbestimmtere Lebensführung.

„Es müssen die Menschen mit Beeinträchtigungen ins Zentrum gerückt
werden. Dazu bedarf es mehr als eine Ad-hoc-Novelle, sondern
intensive Gespräche unter Einbeziehung aller Beteiligten“, so
Präsident Weber abschließend. „Daher ersuchen wir den Sozialminister
dringend um einen Gesprächstermin mit VertreterInnen der
Behindertenorganisationen, der Menschen mit Beeinträchtigungen und
ihrer Angehörigen“.

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