Eine Prothese, deren Bewegungen durch Gedanken gesteuert werden?
Tolle Erfindung meinen Sie?! Meint auch das BMASK (Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) und verleiht Dr. Konstantin Bergmeister im Team mit Prof. Aszmann von der Medizinischen Universität Wien den WINTEC Preis, den Wissenschaftspreis „Inklusion durch Naturwissenschaften und Technik“, für die technologische Weiterentwicklung.
Die Abbildung zeigt den Einsatz der Prothese im täglichen Leben: Der junge Patient verlor im Rahmen eines Starkstromunfalls als Elektrotechniker seinen linken Arm. Nun nützt er die Prothese, die er bewusst auffällig in weiß wollte, als Hilfshand in täglichen Aufgaben.
Der Verlust von Extremitäten – ein dramatisches Erlebnis
Der Verlust eines Arms oder von Teilen der oberen Extremität ist ein dramatisches Erlebnis im Leben betroffener PatientInnen. Die dadurch entstehende Einschränkung von Körperintegrität und persönlicher Unabhängigkeit stellt diese Menschen vor große persönliche Herausforderungen, welche oftmals zu Folgeerkrankungen wie Depressionen oder Schmerzsyndromen sowie sozialer Isolation führen.
Die Ursache solcher Schädigungen sind zumeist Arbeitsunfälle wie z.B. in Handwerksberufen aber auch Verkehrsunfälle mit hoher Geschwindigkeit wie bei Motorradunfälle. Der Extremitätenverlust kann aber auch die Folge von therapeutischen Operationen bei Krebserkrankungen sein, wie die radikale Tumorentfernung bei Sarkomen. Betroffen sind in allen Fällen zumeist junge und vor allem männliche Erwachsene im Alter von 20-40, die vormals gesund waren und mitten im Berufsleben standen.
Bahnbrechende Entwicklungen der Medizinischen Universität Wien
Eine bahnbrechende Entwicklungen für diese Problematiken sind die neuesten sogenannten bionischen Prothesen, deren Bewegungen durch Gedanken gesteuert werden können. Diesen bieten schon jetzt einen weitaus besseren Extremitätenersatz durch intuitivere und simultane Bewegungen. Auch ihr Aussehen ist der menschlichen Hand angepasst und ist für das Umfeld der PatientInnen auf den ersten Blick meist nicht erkennbar. Unter der Leitung von Univ. Prof. Aszmann hat unsere Arbeitsgruppe in den letzten Jahren ein Zentrum für die Behandlung mit bionischen Prothese aufgebaut, welches PatientInnen intenstiv, multidisziplinär betreut und sich mit spezifischen wissenschaftlichen Fragestellungen beschäftigt.
Für unsere PatientInnen kann somit der Wiedereintritt in das berufliche und soziale Leben ermöglicht werden wie zum Beispiel die Interaktion mit Kindern, Freunden und Familie. Bionische Prothesen stellen somit eine innovative Lösung zur Inklusion von Menschen mit Behinderung dar, deren Weiterentwicklung hoffentlich eines Tages die Genialität unserer Arme und Hände als Multifunktionswerkzeug zumindest teilweise widerspiegeln kann.
Abbildung – Bionische Rekonstruktion: PatientInnen mit einem Verlust oder Teilverlust oder oberen Extremität werden zuerst chirurgische mit Nerventransfers auf die Prothese vorbereitet und bekommen dann eine individuell angepasste Prothese. Diese ermöglicht ihnen durch zum Beispiel vorstellen des Faustschlusses, diese Bewegung mit der Prothese auszuführen.
Herausforderungen
Die größte Herausforderungen hierbei ist es eine leistungsstarke Schnittstelle zwischen Mensch und Prothese herzustellen um die Steuerungssignale des Prothesenträgers zu erfassen und somit eine präzise Verwendung im Alltag zu ermöglichen. Neueste Prothesen können schon jetzt ähnlich viele Bewegungen wie ihre menschlichen Vorbilder ausführen, jedoch liegt das Problem in der effizienten Steuerung. Die Umsetzung vom Gedanken an die Bewegung, die gezielte Ansteuerung von Nerven und Muskeln und die Umwandlung dieser Information auf die Prothese, ist ein technisch höchst komplizierter Ablauf. Unsere Arbeitsgruppe hat daher in Kooperation mit Otto Bock, der Technischen Universität Hamburg-Harburg, Frauenhofer IBMT, ein System entwickelt das diese höchst komplexe Informationsweitergabe umsetzt und somit dem optimalen Einsatz der Prothese ermöglicht.
Abbildung – Myoplant System: Diese implantierbare Schnittstelle ermöglicht das Ableiten von Muskelsignalen zu Steuerung von gedankengesteuerten Prothesen. Das zentrale Modul leitet die Muskelsignale der vier Elektrode über Radiofunk-Transmission an die Prothese und bezieht von dieser via Induktion Strom.
Dieses System, genannt MyoPlant, ist eine implantierbare Schnittstelle die unter die Haut eingebracht wird um dort Steuerungssignale optimal abzuleiten. Dadurch können die Steuerungssignale besser abgeleitet werden und so eine Maximum an Prothesenkontrolle ermöglicht werden. Dieses System kann im Rahmen der operativen Vorbereitung auf eine Prothese eingebracht werden und bedeutet für die PatientInnen daher keine chirurgische Mehrbelastung.
In der vom Sozialministerium prämierten Arbeit haben wir das Konzept dieses System präklinisch getestet und für die sichere Langzeitanwendung im Menschen relevante Aspekte, wie mechanische Stabilität, Signalaufnahme und Handhabung untersucht.
Einsatz der Prothese
Basierend auf den vielversprechenden Ergebnissen dieser Arbeit, bereiten wir derzeit die klinische Anwendung dieses System vor. Wir haben bereits ein Konzept erarbeitet, welche PatientInnen am meisten von diesem System profitieren und wie dieses bestmöglich zur Anwendung kommen könnte. In der Abbildung 8 sehen sie die schematische Zeichnung der Implantation auf die Brust eines Patienten und daneben die prothetische Versorgung. Wir sind derzeit in Vorbereitung eines Antrags für die zuständige Behörde (AGES) und hoffen eine erste Anwendung im Jahr 2016.
Abbildung – Schematische Zeichnung der Implantation des Systems im Menschen und Beispiel einer prothetischen Versorgung mit diesem System und bionischer Prothese.
Bildcredit:
Christian Doppler Labor für Extremitätenrekonstruktion und Rehabilitation
Zum Autor:
Beitrag von Dr. Konstantin Bergmeister (MD)
Christian Doppler Labor für Extremitätenrekonstruktion und Rehabilitation
Universitätsklinik für Chirurgie
Abt. für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie
Medizinische Universität Wien
Weitere Informationen:
Video der Med Uni Wien zur „intelligenten Prothese“: https://www.youtube.com/watch?v=ZQ3tIj5f9jA
Homepage der Med-Uni Wien: www.meduniwien.ac.at/hp/bionicreconstruction/
Text in leichter Sprache:
Der junge Mann ganz oben im Bild ist Elektrotechniker.
Bei einem Unfall hat er seinen linken Arm verloren.
Nun hat er eine Prothese, die ihm bei täglichen Aufgaben hilft.
Eine Prothese ist eine Art Hilfshand.
So etwas gibt es schon länger.
Aber Forscher der Universität Wien haben jetzt etwas neues entwickelt.
Eine Prothese, deren Bewegungen duch Gedanken gesteuert wird.
Dabei sieht die Hilfshand fast aus wie eine menschliche Hand.
Depressionen, Schmerzen und soziale Aus-Grenzung können so vermieden werden.