Am 1. Juli 2018 ist es soweit.
Das neue Erwachsenenschutzgesetz tritt in Kraft.
Viele Menschen haben daran gearbeitet.
Das neue Gesetz verändert das alte Sachwalterrecht in vielen Punkten.
Wir erklären was neu ist.
Wir erklären, warum das Gesetz so wichtig ist.
Bis 2021 müssen die bestehenden Sachwalterschaften von Angehörigen überprüft werden.
Bis 2024 müssen die Sachwalterschaften der SachwalterInnen überprüft werden.
Das übernehmen Clearing-Stellen.
Clearing-Stellen heißt übersetzt Klärungs-Stellen.
Diese sind neu und sollen für Klarheit und weniger Sachwalterschaften sorgen.
Das Justizministerium behandelt drei Arbeitsgruppen.
Mit diesen Themen: medizinische Behandlung, Banken, (große Pflege-)Heime.
Ziel ist es, Konsens-Papiere zu entwickeln.
In den Konsens-Papieren kann man nachlesen, wie das Gesetz in der Praxis aussehen wird.
Bekannte und neue Vertretungsformen
Die bekannten Vertretungsformen wird es weiterhin geben, allerdings mit neuen Namen:
- Aus „SachwalterInnen“ werden „Gerichtliche ErwachsenenvertreterInnen“
Der Vertretungsumfang ist deutlich eingeschränkt.
Die gerichtlichen ErwachsenenvertreterInnen sind nicht mehr für „alle Angelegenheiten“ zuständig.
Der Zeitraum ist nicht mehr unbefristet.
Spätestens nach drei Jahren ist diese Art der Vertretung beendet oder wird erneuert. - Aus „Vertretungsbefugten nächsten Angehörigen“ werden „Gesetzliche ErwachsenenvertreterInnen“
Diese Vertretungsform wird wesentlich aufgewertet.
Die Befugnisse reichen von medizinischen Behandlungen über finanzielle und rechtliche Angelegenheiten.
Auch Änderungen des Wohnorts und Abschluss von Heimverträgen ist möglich.
Nun können auch Geschwister VertreterInnen werden! - NEU sind die „Gewählten ErwachsenenvertreterInnen“
Man kann einen Menschen seiner Wahl als VertreterIn wählen.
Dann, wenn ein Mensch seine Angelegenheiten nicht (mehr) selbst besorgen kann.
Und vorausgesetzt er kann die Bedeutung und die Folgen der Bevollmächtigung verstehen. - Wie bisher besteht schließlich die Möglichkeit zur „Vorsorgevollmacht“.
Wichtig: Alle heute bestehenden Sachwalterschaften enden spätestens Anfang 2024.
Alle Vertretungsbefugnisse enden spätestens Mitte 2021.
Sie müssen vom Gericht überprüft und gegebenenfalls erneuert werden!
Erwachsenenschutzvereine als Drehscheibe der Rechtsfürsorge
Sachwaltervereine wie z.B. das Vertretungsnetz heißen in Zukunft „Erwachsenenschutzvereine“.
Sie werden eine wichtige Rolle bei der Umsetzung des Gesetzes erhalten:
Sie beraten und machen amtliche Eintragungen.
Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Abklärung („Clearing“), welches Ausmaß an rechtlicher Unterstützung jemand braucht.
Von Unterstützung der eigenen Familie, dem Freundeskreis oder den Nachbarn.
Bis zur gerichtlichen Erwachsenenvertretung.
Wie es weitergeht
Wir prüfen derzeit, welche Bestimmungen für Menschen mit intellektuellen Behinderungen und deren Familien wichtig sind.
Ebenso die Auswirkungen auf den Alltag.
Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, wird es Informationsveranstaltungen geben.
In Graz findet diese an 3 Terminen statt. Zwischen 12. April und 21. Juni.
In Wien findet diese am 24. Mai statt.
Weitere Informationen
Kurzbroschüre des Bundesministeriums für Justiz: „Das neue Erwachsenenschutzrecht“
Information des Bundesministeriums für Justiz: Leichter Lesen
Bundesgesetzblatt vom 25. April 2017: 2. Erwachsenenschutzgesetz
Das neue Gesetz enthält zahlreiche Detailbestimmungen.
Diese können auf der Homepage des Parlaments nachgelesen werden:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_01461/index.shtml#tab-Uebersicht.
Mehr Selbstbestimmung
Es geht um eine Haltungsänderung.
Weg von einer stellvertretenden Entscheidung hin zur gemeinsamen Suche nach Lösungen.
Neue, durch die Betroffenen selbst wählbare Vertretungen unterstreichen das Prinzip der Selbstbestimmung.
Das sagt Prof. Jürgen Pelikan dazu.
Erneuerung der Sachwalterschaft war seit langem ausständig
Seit längerem wird das bestehende Gesetz kritisiert.
Es passte nicht mehr zur UN-Behindertenrechtskonvention.
Das Justizministerium hat mit dem neuen Gesetz gute Arbeit geleistet.
Es ist wichtig, das dieses Gesetz nun auch wirklich so umgesetzt wird.
Die finanziellen Mittel für das Gesetz müssen bereit stehen
Ob das neue Gesetz gut umgesetzt werden kann hängt von der Finanzierung ab.
Beratung und Clearing durch Erwachsenenschutz-Vereine muss ausreichend sichergestellt werden.
Die notwendigen Unterstützungsleistungen für das Treffen von Entscheidungen und persönliche Assistenz muss österreichweit verfügbar und leistbar sein.
Der Bund ist gefordert, für österreichweit einheitliche Lösungen zu sorgen.
Wir brauchen individuelle Assistenz- und Unterstützungsleistungen.
Persönliche Budgets und die Ausbildung von Fachleuten.
Wir haben´s geschafft: Gesetz wird doch nicht verschoben
Ob das neue Gesetz kommt, stand im Februar 2018 auf der Kippe.
Die neue türkis-blaue Regierung plante die Verschiebung des Gesetzes.
Die PolitikerInnen begründeten, dass dafür das Geld fehle.
Blitzschnell haben wir reagiert. Viele haben sich zusammengetan und aufgeschrien.
Das lassen wir uns nicht gefallen!
Die Politiker haben das gemerkt. Sie haben entschieden, dass das Gesetz nun doch wie geplant kommt.
Wir haben sogar eine bessere Finanzierung erreicht.
Das hat uns gezeigt: Zusammen können wir etwas bewegen!
Siehe dazu auch unsere Beiträge:
Erwachsenenschutz-Gesetz: Lebenshilfe betont Dringlichkeit der geplanten Umsetzung
Dringender Aufruf an alle ÖsterreicherInnen: Bevormundung muss ein Ende haben!