Diese Woche waren die beiden Selbstvertreter Andreas Zehetner und Harry Ellbogen im Justizministerium. Sie haben u.a. mit Peter Barth, dem Leiter der zuständigen Abteilung im Justizministerium und Chef der Arbeitsgruppe Sachwalterschaft, wegen den Neuerungen im Sachwalter-Recht gesprochen:
Abb: Elisabeth Zimmerer (Kabinett Justizminster Brandstetter), Andreas Zehetner (Selbstvertreter Lebenshilfe Niederösterreich), Peter Barth, Romana Fritz (Justizministerium), Harald Ellbogen (Selbstvertreter Lebenshilfe Niederösterreich)
Künftig soll die Sachwalterschaft nur in Kraft treten, wenn sie wirklich benötigt wird und nur solange sie auch wirklich benötigt wird. Die Selbstbestimmung aller Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung – egal wie hoch der Unterstützungsbedarf – soll gestärkt werden. Die Geschäftsfähigkeit soll niemandem von Vornherein abgesprochen werden. Es wird daher keine Sachwalterschaft für alle Angelegenheiten mehr geben, nur mehr zeitlich befristet und für bestimmte Angelegenheiten.
Dazu sollen die österreichweiten Clearing-Stellen aufgewertet werden. Sie sollen Alternativen zur Sachwalterschaft prüfen. Beispielsweise in Hinblick auf mögliche Unterstützerkreise, Familienkonferenzen oder ein betreutes Konto. Eine größere Zahl an Clearing-Stellen soll dazu an Bezirksgerichten eingerichtet werden und verpflichtend in Anspruch genommen werden müssen. Die Clearing-Stellen dienen also als erste Anlaufstelle und übernehmen zugleich anwaltschaftliche, notarielle sowie beratende Funktionen. Sie sollen den Ausbau an unterstützter Entscheidungsfindung begünstigen:
ErwachsenenvertreterInnen sollen in Zukunft zur unterstützten Entscheidungsfindung beitragen. Idealerweise handelt es sich um einen „gewählten Erwachsenenvertreter“, das heißt der Mensch mit Beeinträchtigung sucht sich den Unterstützer bzw. Vertreter selbst aus. Im besten Fall wird dem Menschen mit Beeinträchtigung dabei auch ein Unterstützungskreis zur Seite gestellt. Der besteht aus vertrauten Menschen, die der Person nahe stehen und bei der Entscheidung helfen.
Kommt keine gewählte Erwachsenenvertretung zu Stande, wird eine gesetzliche zur Seite gestellt. Falls dies aus bestimmten Gründen nicht möglich ist, kommt es zur gerichtlichen Erwachsenenvertretung, die mit der heutigen Sachwalterschaft zu vergleichen ist. Dabei soll die Vertretungsbefugnis der nächsten Angehörigen auf Geschwister ausgeweitet werden. Der bisherige „Sachwalter“ soll voraussichtlich auf „gerichtlich bestellter Erwachsenenvertreter“ umbenannt werden. Die Vertretungsvariante „gewählter Erwachsenenvertreter“ hat dabei stets Vorrang vor gesetzlicher und gerichtlicher Vertretung – ganz im Sinne der Forderung nach mehr Selbstbestimmung.
Ob die finanziellen Mittel für das neue, teurere System zur Verfügung gestellt werden, wird sich im Rahmen der Begutachtung des neuen Entwurfs weisen. Die Bundesländer haben da eine Art Veto-Recht, falls die geplanten Änderungen ihre finanziellen Mittel übersteigen sollten. Das neue Sachwalterrecht soll ein Signal für die Länder darstellen, um Strukturen zur unterstützten Entscheidungsfindung zu errichten.
Grundsätzlich scheint der Prozess zur Reform des Sachwalterrechts auf einem guten Weg zu sein – wir blicken gespannt in den Sommer, da sollen die Neuerungen in die Begutachtung ins Parlament gehen.
Wünschenswert wäre, dass die unterstützte Entscheidung einen noch stärkeren Stellenwert im Gesetzesentwurf erhält. Wir bleiben dran 😉
Für weitere Informationen zum Thema Unterstützte Entscheidung:
Lebenshilfe_Dialogpapier Unterstützte Entscheidung_Juni 2015
Warum ist überhaupt eine Novelle des Sachwalterrechts nötig? Darüber berichtete Die Presse: http://diepresse.com/home/leben/4696014/Sachwalterschaft_Fehler-im-System-