Am 27.11.2018 wurde die Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 betreffend den Eigenanspruch auf die Familienbeihilfe mit BGBl. I Nr. 77/2018 verlautbart. Sie wurde nun an die Finanzämter versendet.
Die Lage von Menschen mit intellektuellen Behinderungen ist durch diese Änderungen wieder auf die alte Praxis zurückgesetzt worden:
Sie haben nun weiterhin Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe – unabhängig vom Alter des Kindes und ob eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt.
Das ist ein Erfolg einer gut vernetzten und konstruktiven Interessensvertretung
Viele der Anregungen aus den koordinierten Stellungnahmen von der Lebenshilfe und dem Behindertenrat sind in dem endgültigen Text des Erlasses übernommen wurden!
Genaueres zu den Voraussetzungen und zu Fallbeispielen (ab Seite 8) findet ihr hier.
Das ist die Regelung zum Eigenanspruch
Für volljährige Personen, die aufgrund einer Beeinträchtigung voraussichtlich dauerhaft unfähig sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, besteht Eigenanspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe
- bei Vollwaisen, wenn
- ihr Unterhalt nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs getragen wird,
- und somit ein Beitrag zur Tragung der Unterhaltskosten geleistet wird
ODER wenn
- sie einen eigenständigen Haushalt führen
- unter denselben Voraussetzungen wie bei Vollwaisen, wenn
- keine Haushaltszugehörigkeit zu den Eltern besteht und
- keine überwiegende Unterhaltstragung durch die Eltern geleistet wird
Begriffserklärungen
Öffentliche Mittel:
- staatliche Unterstützungsleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs, insbesondere:
- Bedarfsorientierte Mindestsicherung
- Mittel der Grundversorgung
- Wohnbeihilfe
- von öffentlicher Hand getragener Krankenversicherungsschutz
Beitrag zur Tragung der Unterhaltskosten:
- Regelmäßiger Beitrag durch betroffene Person selbst oder durch Eltern (muss nicht zwingend monatlich sein)
- Keine festgesetzten Mindestbeiträge, kann auch ein geringer regelmäßiger Beitrag sein
Beitrag zu Unterhaltskosten liegt jedenfalls vor bei:
- eigener Erwerbstätigkeit der betroffenen Person
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
- Eigenbeiträge aus bestehendem Vermögen
- Bezug eines Anerkennungsbeitrags (Erfolgsprämie bei Tätigkeit in Werkstätte/Integrativer Beschäftigung)
- Unterhaltsbeiträge der Eltern
- Pflegegeld
- alle Arten von Pensionen, Waisenpension
- Krankengeld, Rehabilitationsgeld
- Notstandshilfe
Sonderfall „eigenständige Haushaltsführung“:
- wenn kein eigener Beitrag zum Unterhalt geleistet wird (weil z.B. Pflegegeldstufe 1 nicht erreicht wird) und
- der Unterhalt zur Gänze aus öffentlichen Mitteln (z.B. Bezug der Bedarfsorientierten Mindestsicherung) getragen wird
- besteht TROTZDEM Eigenanspruch bei Führung eines eigenständigen Haushalts
Definition „eigenständige Haushaltsführung“:
Wenn die betroffene Person
- über eine Wohneinheit (auch Trainingswohnungen und teilbetreutes Wohnen) verfügt, in welcher sie sich um die allgemeinen Dinge der Lebensführung zum überwiegenden Teil mit der erforderlichen Unterstützung selbständig kümmert
- in der Lage ist, sich ihren Tagesablauf weitgehend selbst zu gestalten (tägliche Assistenz zur Haushaltsführung und Tagesstrukturierung schadet nicht)
- keiner regelmäßigen, permanenten Aufsicht von anwesendem Betreuungspersonal oder regelmäßiger Pflege unterliegt
Nicht hinderlich für „eigenständige Haushaltsführung“:
Wenn die betroffene Person
- nicht alleine in dem Haushalt lebt (Wohngemeinschaft)
- Unterstützungstätigkeit durch Dritte im notwendigen Ausmaß beansprucht (z.B. Erwachsenenvertreter)
- eine Tageseinrichtung (z.B. Werkstätte) besucht
- regelmäßig von Dritten zur Verfügung gestellte Mahlzeiten konsumiert
Inkrafttreten:
Die neue Regelung tritt rückwirkend mit 1.1.2016 in Kraft.
Eine Zusammenfassung der Debatte rund um die Familienbeihilfe findet ihr hier: https://www.lebenshilfe.at/die-debatte-rund-um-die-erhoehte-familienbeihilfe/