Ein politischer Appell: Behindertenverbände fordern inklusiven Arbeitsmarkt
Es ist nicht weiter hinzunehmen, dass sich die Situation von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt verschlechtert und dies weitgehend ignoriert wird.
Während aufgrund der guten Wirtschaftslage die Arbeitslosigkeit insgesamt sinkt, steigt die Arbeitslosigkeit bei Menschen mit Behinderungen kontinuierlich an. Während im September 2019 die Arbeitslosigkeit insgesamt um 2,8 Prozent zurückging, stieg sie in der Gruppe von Menschen mit Behinderungen um 4,0 Prozent an. Seit 2007 ist die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderungen um fast 140% gestiegen.
Bei der heutigen Pressekonferenz richteten die Behindertenverbände einen Appell an die neue Regierung: „Seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention sind mehr als 10 Jahre vergangen, es ist Zeit soziale Verantwortung zu übernehmen und für eine zügige Umsetzung der strategischen Vorschläge für einen inklusiven Arbeitsmarkt zu sorgen.“
Lebenshilfe-Vizepräsidentin und Selbstvertreterin Hanna Kamrat fordert Bildung für ALLE und Gehalt statt Taschengeld für Menschen mit Behinderungen
Für einen inklusiven Arbeitsmarkt sind der Zugang zur Bildung und die Möglichkeit lebenslangen Lernens eine erforderliche Voraussetzung. Sie ebnet den Weg für einen offenen, flexiblen, barrierefreien und inklusiven Arbeitsmarkt. Sie ist die Basis für eine gerechte und diskriminierungsfreie Gesellschaft.
Der reguläre Arbeitsmarkt soll durchlässig und flexibel sein, sodass der Zugang für Menschen mit Behinderungen ermöglicht und erleichtert wird. Hanna Kamrat, Selbstvertreterin und Vizepräsidentin der Lebenshilfe dazu: „Menschen mit Behinderungen haben das gleiche Recht auf Arbeit wie alle anderen auch. Aber wir bekommen nur ein Taschengeld. Wir sind jedoch keine Kinder. Wir verlangen ein Gehalt. Wir wollen Gleichstellung.“
Die Lebenshilfe fordert ein individuelles Recht auf Arbeit und damit das Fallen der 50 Prozent Arbeitsfähigkeits-Grenze sowie eine arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Gleichstellung von Menschen in Tages- und Beschäftigungsstrukturen mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Cornelia Scheuer vom Verein „BIZEPS“ weist zudem auf die Wichtigkeit der Persönlichen Assistenz hin. Es bedarf einer bundesweit einheitlichen Regelung der Persönlichen Assistenz, in bedarfsgerechter Höhe, Rechtsanspruch für den privaten und beruflichen Bereich.
Herbert Pichler, Präsident des Österreichischen Behindertenrates , wendet sich gegen den kürzlich eingeführten AMS-Algorithmus. „Der AMS-Algorithmus ist für alle Menschen diskriminierend. Vor allem Menschen mit Behinderungen werden weiterhin benachteiligt. Wir wenden uns gegen die automatische Einstufung von Menschen mit Behinderungen in die Kategorie C“.
„Sowohl Menschen mit Behinderungen als auch Unternehmen müssen künftig die Möglichkeit haben, auf ein vielfältiges Förder- und Maßnahmenbündel zugreifen zu können. Speziell im betrieblichen Bereich gibt es hier noch deutlichen Aufholbedarf. Umfassende Barrierefreiheit und ein Inklusives Arbeitsumfeld sind unbedingte Voraussetzung zur Verbesserung der Beschäftigungsquote“, so ÖZIV-Geschäftsführer Gernot Reinthaler.
Michael Svoboda, Präsident des KOBV, fordert eine Abkehr vom bisherigen System der Ausgleichstaxe – „Fördern statt Strafen“
In Österreich sind lediglich 2,9 % der Unternehmen beschäftigungspflichtig nach dem BEinstG. Wenn jedes Unternehmen ihrer Beschäftigungspflicht nachkäme wären keine Förderungen denkbar. Mit der Einführung eines Behindertenbeschäftigungsbeitrag (0,3% der Lohnsumme), können Betriebe die inklusive Arbeitsplätze bieten gefördert werden. Weiters braucht es Teilzeitarbeitsmodelle für Menschen mit Behinderungen.
„Der neuen Regierung bieten sich Chancen, um sich für eine vielfältige Gesellschaft einzusetzen, in der jede und jeder gleiche Rechte und Chancen hat. Österreich soll sich noch stärker als bisher auf den Weg einer inklusiven Gesellschaft machen,“ betont Hanna Kamrat.
Hier kommst du zu unserer Pressemeldung über die Forderungen der Lebenshilfe: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191008_OTS0103/lebenshilfe-sieht-in-regierungsbildung-neue-chancen-fuer-mehr-inklusion